Alchemie oder Mainstream? Ein Einblick in die Welt der MICE Onlineportale
(Berlin, 31.10.2015, BF) „Alles ganz normal: Per Mausklick Komplimente machen – normal, bei Schnupfen Doktor Online fragen – normal, sein Essen mit der ganzen Welt teilen, normal nur mit Punkt und Komma zu lächeln.“ So beginnt ein aktueller Werbespot einer der größten Geschäftsbanken Europas, um am Ende die Frage zu stellen, warum es nicht normal sein sollte, online über Geld zu sprechen. In gleicher Weise könnte man auch fragen, warum soll es nicht normal sein, Tagungen und Veranstaltungen online zu buchen? Derzeitig scheint es so, als würde der Veranstaltungsmarkt mit Hochdruck an der Antwort dieser Fragestellungen arbeiten. Leistungsträger, Dienstleister, Verbände und Unternehmen diskutieren inzwischen permanent über die Zukunft der Onlineportale und immer wieder erscheinen neue oder altbekannte Protagonisten auf dem Markt, die das Patentrezept schon in der Tasche haben. Bekannte Distributionskanäle, wilde Startups und selbst Hotelketten wollen inzwischen den vermeintlichen Veranstaltungsprofis zeigen wo es lang geht. Die grundsätzliche Schwierigkeit dabei ist, dass die differenzierte Betrachtungsweise der unterschiedlichen Portalanbieter und Systeme fehlt, denn alle kämpfen um die Besetzung ähnlicher Schlagworte wie „Live-Booking“, „RFP-Tool“, „technische Schnittstelle“, „Prozessoptimierung“ „bester Content“, „systemgesteuerte Konsolidierung“, um nur einige Begriffe des verbreiteten Fachchinesisch zu nennen. Viele Portale im MICE-Markt (Meetings, Incentives, Conventions und Events) wollen den Eindruck erwecken, den Stein der Weisen für Veranstaltungsplaner gefunden zu haben. Aber ist das wirklich so?
Hierzu sollte man zuerst einmal die Portalanbieter genauer eingruppieren, da von den mehr als 80 vorhandenen Internetportalen in Deutschland, sich viele stark in ihren Geschäftsmodellen, technischen Möglichkeiten und generierten Außenumsätzen unterscheiden. Um eines gleich vorweg zu nehmen: Jeder dieser Anbieter hat das vordergründige Ziel, so viel Tagungs- und Veranstaltungsbucher wie möglich auf seine Seite bzw. Anwendung zu locken, ansonsten wird er nicht erfolgreich sein. Der größte Unterschied besteht darin, für welches „Lockmittel“ sich der Portalbetreiber entscheidet und wie er dieses vermarktet und vertreibt. Hieraus resultiert, auf welche Zielgruppe er sich fokussiert.
Zielgruppen im Veranstaltungsmarkt
Eine stark umworbene Zielgruppe sind Unternehmen mit einem hohen Veranstaltungsvolumen in ein- bis zweistelliger Millionenhöhe. Hier versammeln sich Konzerne und große, mittelständische Unternehmen, die bereits erfolgreiche Erfahrungen in der Konsolidierung ihres Reisegeschäftes besitzen. Entscheidungsträger sind oftmals Einkäufer und Travelmanager, die gerne mit den ihnen bekannten Mechanismen die Optimierung ihres Veranstaltungsgeschäftes angehen wollen. Da sie so langsam am Ende ihrer Einsparmöglichkeiten im Geschäftsreisebereich angekommen sind, widmen sie sich nun stark motiviert der Aufgabe, die Black Box MICE in Angriff zu nehmen. Hier schlummern nach Angaben der Anbieter bis zu 20% Einsparpotential vom gesamten Volumen, da durch Portallösungen die Prozesskosten stark reduziert und durch zusätzliche Möglichkeiten der Einkaufssteuerung ebenfalls Einsparungen erzielt werden. Erreicht wird dies zum Beispiel durch das bevorzugte Listen von Vertragshotels mit Firmenraten, integrierte Genehmigungsprozesse zur transparenten Budgetüberwachung oder mit Hilfe von statistischen Auswertungen bedarfsorientiert die passenden Veranstaltungsorte auszuwählen, um Reisekosten zu reduzieren. Best Practice Beispiele zeigen, dass dies durchaus funktioniert. Es ist nur ein Irrglaube anzunehmen, dass diese Zielgruppe auch den größten Teil des Veranstaltungsmarktes ausmacht. Nichts desto trotz platziert diese Gruppe den größten, messbaren Anteil des Veranstaltungsumsatzes im Portalgeschäft.
Eine weitere Herausforderung ist für diese Unternehmen die Akzeptanz bei den eigenen Veranstaltungsplanern. Nicht immer erfreuen sich die durch den Einkauf implementierten Systeme der größten Beliebtheit bei den Mitarbeitern. Oftmals wird davon gesprochen, dass die Ursache in dem emotionalen Geschäftsbereich begründet ist und man versucht den Tagungsverantwortlichen im Unternehmen deutlich zu machen, dass sie nicht entmündigt werden mit dem gleichzeitigen Verweis auf die vielen Vorteile. Wenn diese Kommunikationsstrategie alleine nicht fruchtet, muss eine Richtlinie des Unternehmens her, die arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Die dann noch wildbuchenden Planer bezeichnet man als „Maverick Buyer“.
Man sollte jedoch fairerweise darauf hindeuten, dass die Abtrünnigen im Unternehmen nicht immer emotional gesteuerte Egomanen sind, die ihre Erfüllung darin sehen, gegen die Interessen ihres eigenen Arbeitgebers zu agieren. Die Ursache des Problems findet man auch in einer anderen Begründung. Schon lange richten sich technische Entwicklungen nach den Bedürfnissen der Konsumenten. Die Zeiten, in denen Hardwareproduzenten vorgegeben haben, wie die nächste Generation der Computer auszusehen hat, sind vorbei. Entwicklungen werden ausschließlich durch die Akzeptanz der Verbraucher gesteuert. Dies betrifft auch die Einführung von Technologien in Unternehmen. Das I-Phone als betriebliches Smartphone verbieten? Hotel- oder Bahnbuchungen per App untersagen? Das sind oftmals auch auf Konzernebene keine Hürden mehr.
Inzwischen hat man verstanden, dass man sich nach dem Nutzer-Habitus richten muss, den jeder Mitarbeiter auch im alltäglichen Leben an den Tag legt. Jedoch besteht in der Veranstaltungswelt folgende Schwierigkeit: Tagungen werden im privaten Alltag eher selten gebucht, wie soll sich hier also ein weit verbreitetes Konsumentenverhalten entwickeln?
Organisatoren von Veranstaltungen mischen daher ihre Erfahrungen aus artverwandten Bereichen mit den Erfordernissen der professionellen Veranstaltungsplanung. Dies mündet dann in Situationen, dass Angebote von Tagungshotels aus einem systemgesteuerten RFP-Prozess (Request for Proposal) auf Kanälen wie Holidaycheck oder Tripadvisor in Bezug auf Bewertungen überprüft werden und Zimmerpreise mit den Einzelbuchungsraten von booking.com oder HRS verglichen werden. Dass dies nicht der richtige Weg sein kann, sollte jedem verständlich sein, denn in der Regel ist eine Hotelbewertung aus dem Leisure-Bereich für den Tagungsmarkt nicht wirklich aussagekräftig und die Einzelbuchungsrate aus den benannten Portalen nicht anwendbar für Gruppenbuchungen, um nur zwei Beispiele zu nennen.
In Bezug auf die Maverick Buyer kann man also davon ausgehen, dass mangelnde Usability und nicht erreichte User Experience den Alleingang mitunter verursachen. Das spannende an den Verweigerern der strategisch ausgerichteten Unternehmen ist, dass sie automatisch zu einem Bestandteil der zweiten wesentlichen Zielgruppe werden. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass die Veranstaltungsorganisatoren und Assistenzkräfte in den Unternehmen selbstständig und unkoordiniert ihre Tagungen und Events planen, anfragen und in vielen Fällen sogar buchen können. Es besteht kein Bedarf an Volumenbündelung, Auswertungen und automatisierten Genehmigungsprozessen. Hier stehen die Handhabung des Systems und das Vertrauen zum Anbieter im Vordergrund. Diese Veranstaltungsplaner verstehen sich selbst gar nicht als solche, sondern sie organisieren hin und wieder kleine Tagungen für den Chef, das Kick-off für das Vertriebsteam oder die firmeneigene Weihnachtsfeier. Dies tun sie mit voller Hingabe, Kreativität und Verantwortung, ohne sich selbst als Profi wahrzunehmen. Diese Zielgruppe zu erreichen ist sehr aufwendig und wird in vielen Fällen auch durch Agenturen unterstützt. Ein persönlicher Direktvertrieb bei dieser heterogenen Gemeinschaft ist nicht wirtschaftlich, bekannte Werkzeuge der Onlinevermarktung wie SEO und AdWords sehr kostenintensiv. Dies ist sicherlich auch einer der Gründe, warum viele Portalanbieter bisher scheuen, sich auf diese Zielgruppe zu fokussieren. Keyword-Analysen im Zusammenhang mit dem Begriff „Veranstaltungsorganisation“ haben ergeben, dass als Informationsquellen für unerfahrene Planer Internetforen und Blogs eine enorme Relevanz haben, um sich zu informieren. Dass auf gutefrage.net Fragen zur Tagungsplanung diskutiert werden oder die Verbreitung von Nachrichten von Portalen wie weltjournal.de und pregas.de eine hohe Relevanz bei Planern haben, ist sicherlich auch eher überraschend und erklärt, warum das Geschäft an den Portalen vorbeigeht.
Weniger überraschend ist jedoch, dass diese Zielgruppe den größten Teil des Veranstaltungsmarktes ausmacht. Laut dem aktuellen Eventbarometer werden nur 13% der Buchungen von Tagungshotels, Tagungsstätten und Eventlocations über Portale abgewickelt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die nicht gesteuerten Veranstaltungsplaner das meiste Potential haben
Die Welt der Portale
In der Portallandschaft gibt es ganz unterschiedliche Anbieter. Nur ein kleiner Teil bildet von der Anfrage, über die Angebotserstellung bis hin zur Buchung alles in einem System revisionssicher ab. Diese Systeme bieten eine Plattform, auf der die Veranstaltungsplaner direkt mit dem jeweiligen Leistungsträger kommunizieren. Die umsatzstärksten im deutschen Markt sind das Mice Portal, Meetago und Meetingmasters. Alle drei bieten spezielle Lösungen für strategisch ausgerichtete Unternehmen zur Veranstaltungskonsolidierung an. Aber auch unabhängig von speziellen Firmenlösungen besteht für jeden Tagungsorganisator bei den drei Vertretern die Möglichkeit einzelne Anfragen und Buchungen zu tätigen. Das Mice Portal nutzt hierbei den Zugang über tagungsplaner.de (eine Marke des dfv), Meetago das eigene Portal tagungshotel.com. Die beiden letzteren geben an, dass sie mit mehr als jeweils 100 Millionen Euro generierten Außenumsatz die stärksten Vertreter der Branche sind, wobei der Anteil ihrer öffentlichen Internetseiten bisher eher eine untergeordnete Rolle spielen dürfte.
Die im März verkündete Beteiligung von HRS an Meetago sorgte für großes Aufsehen im Markt und spiegelt die zunehmende Professionalisierung auf Unternehmensseite im MICE-Bereich wieder. HRS reagiert damit auf den rasanten Wandel beim Buchungsverhalten im Veranstaltungssegment und wird den HRS Firmenkunden nun auch den MICE-Service entlang der Wertschöpfungskette anbieten können. Da erscheint es wie kein Zufall, dass Intergerma, als einer der ältesten Tagungsspezialisten in Deutschland, kurz nach dem Einstieg von HRS bei Meetago die Investitionsbereitschaft in das zu diesem Zeitpunkt neu entwickelte eigene Onlineportal „Rocket“ zurückgezogen hat und wenige Wochen später einen Insolvenzantrag stellte. Im Juli wurde bekannt, dass das Portalgeschäft von Intergerma mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig eingestellt wird. Die Urheberrechte des Online-Tools Rocket liegen bei der von Intergerma beauftragten Softwareschmiede. Es bleibt spannend, ob diese Rakete noch einmal steigen wird.
Meetingmasters und Mice Portal bieten auch die Möglichkeit nicht nur Tagungshotels, sondern auch zusätzliche Dienstleister zu buchen. Ein weiterer Wettbewerber um die Gunst der großen Unternehmen ist Cvent. Der amerikanische Anbieter entdeckt seit einiger Zeit ebenfalls den deutschen Markt für sich und bietet ebenso wie die genannten deutschen Anbieter eine Lösung im Bereich Teilnehmer-Management-System an.
Die Vergütungsmodelle dieser Portalanbieter sind je nach Anforderung der Kunden oftmals unterschiedlich. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass ähnlich wie im Reisegeschäft die Provisionszahlungen der Hotels für eingebuchtes Geschäft favorisiert werden. Sobald ein höherer Bedarf an Serviceleistungen und die Hinterlegung von nicht provisionsfähigen Raten vorhanden ist, werden auch Mischkalkulationen aus Provisionszahlungen und Handling-Fees veranschlagt. Ein weiterer großer Vorteil dieser Anbieter ist, dass sie über den meisten Content verfügen und somit das größte Angebot an Locations bereitstellen.
Aber auch zwei weitere Anbieter im Gebiet der Online-Buchung machen auf sich aufmerksam. Das Thema heißt „Instant Booking“ und bedeutet, dass man direkt online durchbuchen kann. Bei den beiden Vertretern handelt es sich um Okanda und Meeting Market by Expedia. Ziel ist es, dass Veranstaltungsplaner auf den Plattformen ihren Bedarf eingeben und nur verfügbare Kapazitäten inkl. Preisangabe eingeblendet bekommen, um diese direkt buchen zu können. Auch HRS versuchte vor einigen Jahren mit einem derartigen System erfolgreich zu sein, stellte das Projekt jedoch kurze Zeit später im Jahr 2009 wieder ein. Der Veranstaltungsmarkt reagiert derzeitig sehr unterschiedlich auf den erneuten Versuch Tagungen direktbuchbar zu machen. Auf der einen Seite bezweifeln viele Anwender, dass dieses Modell aufgrund der viel komplexeren Bedürfnisse im Vergleich zur einfachen Zimmerreservierung erfolgreich sein wird, auf der anderen Seite stellen sich viele Planer schon lange die Frage, warum man alles bereits online direkt kaufen und buchen kann, nur keine Tagungsleistungen. Alle sind sich jedoch darüber einig, dass das direkte Buchen sich derzeitig noch ausschließlich auf kleinere Meetings ohne komplexe Anforderungen beschränken wird. Dies hängt auch vorwiegend damit zusammen, dass die technischen Voraussetzungen bei den Tagungshotels noch nicht in dem Umfang geben sind. Es ist zwar möglich ein Pool von Zimmern in unterschiedliche System einzuspeisen, jedoch kann der größte Tagungsraum nur einmal vergeben werden. Erschwerend hinzu kommt, dass der große Tagungsraum auch oftmals in mehrere kleine Tagungsräume aufgeteilt wird und das Hotel immer nach Überprüfung der Gesamtanfrage entscheidet, ob ein Angebot für die eintreffende Anfrage erstellt wird. Ein Revenue Manager im Hotel wird sich immer dafür entscheiden, lieber eine mehrtägige Veranstaltung mit Übernachtungen anzubieten, als ein Plenum für eine Tagesveranstaltung zu vergeben. Daher werden bei Okanda und Expedia in erster Linie nur kleine oder zusätzliche Raumkapazitäten angeboten. Eine Weiterentwicklung dieser Systeme wird nur stattfinden, wenn einerseits die Tagungshotels sich technisch weiterentwickeln und andererseits die Nutzerakzeptanz steigt. Letzteres ist sehr wahrscheinlich, da diese Systeme bereits jetzt einen enormen Vorteil in Bezug auf Usability gegenüber den konservativen Portalen besitzen. Des Weiteren kann man davon ausgehen, dass ein Unternehmen wie Expedia aufgrund der Power und Erfahrungen im touristischen Bereich zu einem echten Macher im Insatant Booking Bereich der MICE-Welt werden wird. Seit Präsentation der Betaversion Ende Juli zieht Expedia bereits jetzt eine positive Bilanz, da das Portal einen monatlichen Buchungszuwachs von durchschnittlich 110% verzeichnet. Ein erster Einblick in die Buchungsstruktur bestätigt, dass mit einem Anteil von 80% überwiegend kleine und mittlere Veranstaltungen bis zu 30 Teilnehmern direkt gebucht werden. Die Wiederholungsquote jedes vierten Buchers bezeichnet Expedia selbst als ein Indiz für die Kundenzufriedenheit. „Wir sind mit dem Start von Meeting Market sehr zufrieden und sehen bei der Ansprache von Hotelpartnern wie auch Veranstaltungsplanern weiteres Potenzial“, sagt Arne Erichsen, Direktor Marktmanagement der Expedia Gruppe in Deutschland, Österreich, Schweiz. Eine durch Expedia im Vorfeld durchgeführte Marktstudie unter Anbietern und Nutzern bestätigt, dass die MICE Branche in Sachen technologischer Prozessunterstützung anderen Branchenzweigen hinterher hinkt. Die Abbildung der Verfügbarkeiten und Preise wünschen sich 93% der befragten Agenturen, die ebenfalls angegeben haben in noch 80% ihrer Anfragen selbst zum Telefon zu greifen. Durch den Wegfall eines zeitaufwendigen, manuellen Bearbeitens der Anfragen, sieht auch die Hotellerie ihre Vorteile im Direktbuchen. Der weitere Zuwachs von 25% im Hotelportfolie bei Expedia spiegelt auch hier die zunehmende Akzeptanz wider. Bei Okanda wird es sicherlich davon abhängig sein, ob sie es schaffen werden, frühzeitig genug ausreichend Veranstaltungsplaner auf ihr System zu bringen, da hier der Eindruck erweckt wurde, dass man bisher sich verstärkt nur auf die Anbindung der Hotels konzentriert hat. Eine aktuelle Aktion für Veranstaltungsplaner unter dem Motto „Meetings lohnen sich“ verspricht bei platzierter Buchung einen 50 Euro Gutschein bei Amazon, iTunes und anderen Shops. Hierdurch wird deutlich, wie schwer es ist, Tagungsbucher vertrieblich zu erreichen.
Eine weitere Gruppe von Internetportalen sind diejenigen, die online und offline mischen. Das bedeutet, dass die Einstiegsseiten oftmals den großen Buchungsportalen ähneln, jedoch die Aufbereitung der Angebote immer ein manuelles Eingreifen des Service-Teams des Betreibers benötigen. Hierzu zählen Anbieter wie Aloom, Tagungshotels-Online.de, plan2plan oder Tagungshotels.de. Diese Anbieter besitzen inzwischen nicht mehr die Möglichkeit den technischen Anforderungen der strategischen Einkaufsabteilungen von Unternehmen gerecht zu werden, punkten jedoch durch ihre höhere Servicebereitschaft. Nun könnte man denken, dass dies auch höhere Kosten für die Planer verursacht, dem ist jedoch nicht so, denn auch diese Dienstleister erzielen ihre Erlöse überwiegend aus den Provisionseinnahmen, die sie von den Hotels erhalten. Auch wenn man einen Blick in die Veröffentlichung der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Anbieter riskiert, stellt man ernüchternd fest, dass im MICE-Bereich mehr Technik bisher nicht zwangsläufig mehr Wirtschaftlichkeit bedeutet, ganz im Gegenteil.
Die letzte Gruppierung der Anbieter im Internet ist die Ansammlung von Informationsplattformen. Hier wird dem Anwender durch die Darstellung von Bildern und Informationen eine Unterstützung in seiner Recherche geboten, die zu einer direkten Kontaktaufnahme zur Veranstaltungslocation führen soll. In vielen Fällen erhält der Planer bessere Präsentationen von Eventlocations im Vergleich zu den anderen Anbietergruppen, da die standardisierte Angebotseinholung nicht den Mehrwert ausmacht. Meistens ist nur die Anfragemöglichkeit mit Hilfe eines E-Mailformulars möglich. Die Anbieter finanzieren dieses Geschäftsmodell durch Listing-Gebühren, da sie den Direktvertrieb der Locations fördern. Der bekannteste Vertreter ist durch die hohe Sichtbarkeit im Internet in diesem Bereich locationportale.de (zukünftig fiylo). Aber auch Eventsofa, Congress Check, Location Guide 24 und viele weitere Portale kämpfen um die Gunst der Werbebudgets der Veranstaltungsstätten.
Die andere Sicht der Dinge
Eines, was oftmals vergessen wird, ist die Sicht derer, die die Leistungen letztendlich erbringen müssen. Tagungshotels und Veranstaltungsstätten werden oftmals in dem Entwicklungsprozess der Onlineportale außen vor gelassen oder vor vollendete Tatsachen gestellt. Da es im MICE-Bereich bisher keine Möglichkeit gibt, die Tagungsanfragen zentral zu bearbeiten und zu steuern, müssen sich die Leistungsträger sehr genau überlegen, mit welchen Portalanbietern sie zusammenarbeiten wollen. Hier hängt die Entscheidung unter anderem von folgenden Faktoren ab: Kosten, Realisierungsquote, Benutzerfreundlichkeit, Transparenz und die Betreuung der Systemanbieter. Bei der Vielzahl der bereits vorhandenen Portale ist es nur gut verständlich, dass die Hotellerie nicht mehr in Jubel ausbricht, wenn wieder ein neuer Anbieter auf dem Markt erscheint. Ein Vertreter von der Hotelseite formulierte dies beim letzten HSMA Micecamp in Berlin so: „Wir warten immer ein Jahr ab, schauen ob es den Anbieter noch gibt und setzen uns dann erst mit ihm ernsthaft auseinander.“
Darüber hinaus befürchten viele Tagungshotels, dass bei steigender Anzahl der Portalanfragen ihr eigenes Direktgeschäft durch provisionspflichtige Umsätze ersetzt wird. Marco Nussbaum, CEO prizeotel, beschreibt diese Situation folgendermaßen: „Hotels arbeiten konsequent an ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit im Netz.“ Mit den bereits vorhandenen Erfahrungen im Einzelbuchungsgeschäft ist somit eine stärkere Sensibilität der Hotellerie zu verspüren, trotzdem wird oftmals darauf verwiesen, dass die Zusammenarbeit mit den Portalen sehr gut funktioniert und für zusätzliches Geschäft sorgt. Insgesamt kann man konstatieren, dass die Kooperation mit den Onlineportalen, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet, gewinnbringend für alle Beteiligten ist. Neue Anbieter werden es jedoch zunehmenden schwerer haben den Zugang zur Hotellerie zu erhalten. Aus diesem Grund ist es inzwischen auch zur Normalität geworden, dass sich Unternehmen bei der Entscheidung für ein Portalanbieter im Vorfeld genau erkundigen, welche Reputation dieser bei den Leistungsträgern genießt.
Der Stein der Weisen
Es wird deutlich, dass sich die vielen Onlineportale und die Anforderungen der Zielgruppen im MICE-Markt stark unterscheiden. Alleine daher scheint es schon unmöglich die eierlegende Wollmilchsau zu finden. Doch ähnlich wie bei der Suche nach dem Stein der Weisen, bei der die Alchemisten der Formel nachjagten, unedle Metalle in edle Metalle, vor allem Gold und Silber verwandeln zu können, ist eine Euphorie im Veranstaltungsmarkt ausgebrochen das erfolgreiche Onlineportal zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln.
Angeheizt wird dieser Prozess mitunter durch die Studie der ghh cunsult GmbH, die das gesamte Markvolumen im Segment MICE auf 74 Milliarden Euro pro Jahr schätzt. Nur was müssen die Alchimisten der MICE-Portale tun, um Veranstaltungsplaner von ihrem System zu überzeugen? Sie sollten erst einmal akzeptieren, dass der größte Anteil der Bucher sich eine Lösung wünscht, die technisch ihren Bedürfnissen entspricht, womit wir wiederum bei der mangelnden Usability und User Experience wären. Die immer stärker werdenden komplexen Anforderungen an die Technik von Unternehmensseite geben nicht den Spielraum, erforderliche Entwicklungen in dem Tempo voranzutreiben, wie es von Nutzerseite gefordert wird. Gehen wir davon aus, dass sich die bereits etablierten Portale weiterhin auf das strategische Geschäft konzentrieren werden, wird aus diesem Bereich heraus keine Weiterentwicklung für den „einfachen“ Anwender entstehen, da die wertvollen Ressourcen der Entwicklungskapazitäten für Forderungen des Einkaufs genutzt werden und nur selten für die Verbesserung der Nutzer. Im Vergleich hierzu: booking.com verändert als stärkste Plattform im Einzelbuchungsbereich 10x am Tag die eigene Portalseite.
Laut Eventbarometer des letzten Jahres lag die Quote der Veranstaltungsplaner, die keinen vorgeschriebenen Buchungsweg besitzen, bei 90%. Auch wenn absehbar ist, dass zunehmend mehr Unternehmen in die Steuerung der Veranstaltungsorganisation eingreifen werden, so wird die Zahl derer, die frei recherchieren und buchen, immer die größere Menge darstellen. Also sollte auch in dieser Gruppe der Mainstream angesiedelt sein. Die Kombination aus Nutzerfreundlichkeit, Vertrauen und Treue ins Produkt sowie die Herleitung der notwendigen technischen Voraussetzung bei allen Beteiligten sind die Basis dafür. Bei der Nutzerfreundlichkeit stellt man fest, dass die jungen Portale die Nase vorn haben, jedoch nach wie vor an ihre Grenzen stoßen, gerade wenn es um umfangreiche Anfragen geht. Je komplexer die Anforderungen an eine Softwarelösung sind, umso einfacher und intuitiver muss die Bedienbarkeit sein. Wenn man sich Portale in anderen Geschäftsbereichen anschaut, wird man feststellen, dass die erfolgreichsten oftmals die sind, die nicht von den Fachleuten entwickelt wurden. Auch der MICE-Branche würde es sehr helfen, wenn man losgelöst von allem Bekannten einmal die Bedienbarkeit auf den Prüfstand bringt. Aber auch dies hängt unmittelbar mit den technischen Möglichkeiten zusammen. Hier verlangsamen oftmals die Systempartner der Hotellerie den Entwicklungsprozess. Ein Beispiel: Es wäre heutzutage technisch längst möglich für die Hotellerie die eigenen Property Management Systeme (PMS) so zu pflegen, dass die Portale transparenter die Verfügbarkeiten abbilden könnten und somit eine bessere Benutzerfreundlichkeit für den Planer sowie eine höhere Realisierungsquote für die Hotels erzielt werden könnte. Nach diesem Prinzip funktioniert bereits Meeting Market by Expedia. Aber auch in den Unternehmen sollte einmal überprüft werden, wer noch mit dem Internet Explorer 8 unterwegs ist. Was im Konsumentenbereich schon lange als veraltet gilt, ist in so manchen Büros noch gang und gäbe, so dass man nicht auf moderne Technologien zurückgreifen kann.
Um für mehr Vertrauen bei den Veranstaltungsplanern zu sorgen, gibt es ein einfaches Rezept. Hierzu braucht man sich wiederum nur einmal anschauen, welches Werkzeug in anderen Onlinegeschäften eingesetzt wird. Glaubwürdige Bewertungen lautet die Antwort. Jeder Eventverantwortliche will die Gewissheit besitzen, dass die von ihm ausgesuchte Location seinen Erwartungshaltungen entspricht. Selbst für Portalanbieter mit sehr guten Produktkenntnisse ist es unmöglich eine qualifizierte Empfehlung allumfassend auszusprechen. Hotels haben schon lange verstanden, dass öffentliche Bewertungen und Empfehlungen zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren geworden sind. Bisher sucht man jedoch vergebens nach Portalanbietern, die erlebte Erfahrungen der Bucher aus dem Veranstaltungsbereich transparent zur Verfügung stellen. Zwar wird immer wieder davon gesprochen, dass eine enorm hohe Nachfrage nach einem MICE-Bewertungsportal besteht, jedoch hat dieses Projekt bisher kein Anbieter konsequent in Angriff genommen. Dies hängt mit dem fehlenden Geschäftsmodell zusammen. Solange neben der Bewertung nicht ein „Kaufen-Button“ oder in diesem Kontext „Jetzt-Buchen-Knopf“ integriert werden kann, wird die professionelle Entwicklung eines für den Nutzer hilfreichen Bewertungssystems nicht in die Tat umgesetzt werden. Dabei wäre dies ebenfalls ein wesentlicher Schritt für die bessere Auffindbarkeit im Internet. Die Schlussfolgerung hieraus ist wiederum, dass die technischen Möglichkeiten immer noch zu beschränkt sind. Aber nicht nur der Wunsch nach gefühlter Sicherheit im Buchungsprozess ist für den Vertrauensaufbau von Relevanz, auch die Menschen hinter dem System sind für Veranstaltungsplaner nach wie vor von großer Bedeutung. Man muss bedenken, dass es schon ein Unterschied ist, ob die Assistenzkraft einen Mietwagen bestellt, das wirtschaftliche Risiko ist überschaubar, oder ein Tagungshotel bucht. Selbst bei kleineren Veranstaltung ergeben sich ganz schnell Beauftragungsvolumen im fünfstelligen Bereich. Daher sollte es durchaus verständlich sein, dass für letzte Fragestellungen auf der Portalseite auch ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung steht.
Vom Mainstream noch weit entfernt
Betrachtet man nun die Situation der unterschiedlichen Zielgruppen, derzeitigen Anbieter und Leistungsträger muss man feststellen, dass wir von einer Portallösung, die als Mainstream bezeichnet werden kann, noch weit entfernt sind. Es ist sicher, dass die Portalanbieter mit dem Fokus auf Firmenlösungen mit hohem Veranstaltungsvolumen die bisher größte Erfahrung mitbringen und den meisten Außenumsatz generieren. Allerdings scheint es nicht so, als würden diese Anbieter mit Ihren Lösungen sich auch dahin entwickeln, die Bedürfnisse des unprofessionellen Planers zu befriedigen. Andere Portale, die sich dieser Gemeinschaft annehmen, können aufgrund der technischen Standards bisher nur Nischen abdecken. Wenn diese Anbieter sich konsequent Zug um Zug in Abstimmung mit den Leistungsträgern weiterentwickeln, wird sich ein großer Player herauskristallisieren. In dieser Lösung wird die Integration von Liveverfügbarkeiten und die Einbindung von Bewertungen eine elementar wichtige Rolle spielen. Ferner wird es notwendig sein, als zukünftiger Wegbereiter des Marktes, über ein ausreichendes Investitionsvolumen zu verfügen, da die Anforderung und Erwartungshaltung an technische Lösungen inzwischen so hoch geworden sind, dass vielen Anbietern auf dem Weg zum Erfolg die finanziellen Mittel ausgegangen sind. Und so wie sich die Alchemie zu der heutigen Chemie und Pharmakologie entwickelt hat, werden die zukünftigen Portalanbieter die Softwarespezialisten der MICE-Branche sein.
Text: Bernd Fritzges
Bildquelle: Bernd Fritzges, eOrbit GmbH Team